Wenn die Psyche des Menschen sich, wie ich das behaupte, noch wesentlich weiter entwickeln kann, als das bisher jemals geschehen ist, und wir somit einen Entwicklungsstand, den wir alle erreichen können, ohne Ausnahme noch nie erreicht haben, dann muss es in der menschlichen Psyche sehr starke interne Kräfte geben, die dieser vollständigen Entwicklung entgegenwirken, welche ich in ihrer Wirkung „Selbsttraumatisierung“ nenne.
Der Mensch verfügt zunächst eigentlich über einen starken und biologisch einmaligen psychischen Entwicklungsdrang, den ich als „Perfektionstrieb“ bezeichnen möchte, welcher in der Kindheit und frühen Kindheit zu einer rasanten und manifesten psychischen Entwicklung führt, aber offensichtlich von der Jugendzeit bis zum Erwachsenenalter fast immer stark abnimmt oder völlig abebbt.
Ich denke, unsere Psyche (oder unser Gehirn) behindert und beendet ihre und damit unsere eigene psychische Entwicklung deshalb weitestgehend selbstständig und frühzeitig, weil die dabei unumgänglichen Entwicklungskrisen schlicht sehr schmerzhaft und unangenehm sind.
Eine vollständigere Erklärung dieser Selbsttraumatisierung scheint mir einen guten Einstieg in meine orthopsychologischen Ansichten zu sein.
Psychische Entwicklung findet nicht „von alleine“ satt, sondern nur durch die drängende existenzielle Angst, die allem Leben und jedem Denken und Fühlen zu Grunde liegt.
Genau diese existenzielle Angst ist aber auch, die unsere menschliche psychische Entwicklung bisher immer ab einem bestimmten Entwicklungstand und frühzeitig, auf einer individuell verschiedenen, aber immer, im Vergleich mit der vollständigen psychischen Entwicklung, die uns allen möglich ist, sehr niedrigen Stufe behindert und terminal beendet.
Nur deshalb, weil jede Angst potentiell zu existenzieller Angst ansteigen kann, ist es verständlich und möglich, dass diese Selbsttraumatisierung so mächtig ist, dass sie bei restlos jedem Menschen einen eigentlich so starken Entwicklungstrieb lähmen und ganz aufheben kann.
Jede psychische Entwicklung bedeutet die zumindest stellenweise die Veränderung eines bestehenden Berechnungssystems, dass für das Individuum von existenzieller Bedeutung ist und dabei unausweichlich eine Entwicklungskrise oder psychische Krise hervorruft, durchlaufen und verarbeiten muss.
Je oberflächlicher und kognitiver diese Entwicklungskrisen sind, desto leichter und je emotionaler und tiefgehender sie sind, desto schwerer sind sie auszuhalten. Emotionale oder tiefgreifende Entwicklungskrisen haben dabei auch immer einen kognitiven Inhalt, der einer von vielen möglichen existenziellen Fragestellungen entspricht, mit der sich auch Religion, Mystik und Philosophie beschäftigen.
Zu Anfang unseres Lebens sind wir gar nicht in der Lage diese Entwicklungskrisen abzulehnen und zu umgehen und stehen sie mit dem Mut der Verzweiflung durch, wodurch wir uns stark weiterentwickeln.
Mit zunehmender emotionaler und kognitiver Reife aber erlangt jeder Mensch die Fähigkeit, die für seine Entwicklung nötigen psychischen Krisen zu verhindern und abzulehnen, dies aber nur, indem er die zu diesen gehörenden existenziellen Fragestellungen nicht vollständig „verarbeitet“, also nicht umfassend bedenkt, emotional bewertet und dadurch auch nicht wahrheitsgemäß beantwortet.
Durch diese Selbsttäuschung und Lebenslügen werden Fixierte Infantile Vorstellungen in unserer Psyche abgekapselt und installiert, wodurch wir uns erhebliches seelisches Leid ersparen, aber leider auch kontinuierlich unsere eigene psychische Entwicklung erheblich behindern und irgendwann vollständig korrumpieren.
Was durch diese Selbsttraumatisierung entsteht, sind ein Permanentes Unterbewusstsein geschützt durch unsere psychische Abwehr, und das viele zentrale und noch mehr abgeleitete und diese umgebende und in ihrer primitiven Einseitig unwahre Fixierte Infantile Vorstellungen und außerdem eine nur Scheinbar Gesunde Psyche.
Der Zustand einer Scheinbar Gesunden Psyche, den wir Menschen bisher restlos aufweisen, zeichnet sich dadurch aus, dass er es uns ermöglicht, bereits in großem Umfang vernünftig und kontrolliert zu handeln, weil wir in keine emotionalen oder psychischen Krisen mehr geraten, obwohl (!) wir alle noch zahlreiche falsche und zur Wirklichkeit unpassenden Fixierten Infantilen Vorstellungen in uns tragen, die eigentlich psychische Krisen auslösen müssten, wenn sie im Bewusstsein mit einem Teil der Wirklichkeit konfrontiert werden, der ihnen widerspricht. Dies passiert nicht, weil sie nicht mehr bewusstseinsfähig sind, also verdrängt und unterdrückt wurden und lebenslang weiter verdrängt werden.
Außerdem aber verhindert dieser bisher uniform vorhandene Zustand einer nur Scheinbaren Psychischen Gesundheit gleichzeitig folgerichtig jede psychische Weiterentwicklung, da zu dieser genau die Fixierten Infantilen Vorstellungen wieder bewusst gemacht und neu und dabei wahrheitsgetreuer verarbeitet werden müssten, die im Permanenten Unterbewusstsein von unserer Abwehr strikt abgeschirmt werden.
Die nur Scheinbare Psychische Gesundheit und ihre stählerne psychische Abwehr sowie die Existenz des uns bewusst vollkommen verschlossenen Permanenten Unterbewusstseins und dann die Fixierten Infantilen Vorstellungen, die dort eingefroren liegen, behindern unser Denken und Fühlen in gigantischer Weise.
Eine psychische Weiterentwicklung zu einem Neuen Menschen kann logischerweise ausschließlich dadurch nötig sein, dass unsere Fixierten Infantilen Vorstellungen wieder bewusst gemacht werden und wir die äußerst schmerzhaften psychischen Krisen doch wieder aufnehmen, durchstehen und richtig verarbeiten, die mit den ihnen eigenen existenziellen Fragestellungen verbunden sind und, die wir in der Frühzeit unserer Individualentwicklung selbst verhindert haben.
Diese äußerst schmerzhaften existenziellen psychischen Krisen müssen dazu äußerst exakt und kraftvoll therapeutisch aktiv erzeugt werden, da sie nicht „von alleine“ entstehen, und außerdem nach ihrem Entstehen therapeutisch umfassend, einfühlsam, verständnisvoll und weise betreut und verarbeitet werden.
Ohne solche Nachbe- und Verarbeitung sind psychische Krisen lediglich immense Risiken und führen mit großer Sicherheit zu weiteren psychischen Störungen und Regressionen.
Genau das soll in Aktiven, Konstruktiven und Totalen Psychotherapien geschehen und geschieht – in wesentlich engerem Rahmen, ungenauer und oft passiv, ja unbewusst – auch bereits in herkömmlichen Therapien.
In fernerer Zukunft wird es Neuen Menschen sicherlich möglich sein, ihre Kinder durch eine perfekte Erziehung bereits dazu zu verhelfen, ihre Psyche vollständig zu entwickeln, da dies aber für Alte Menschen höchstwahrscheinlich nicht umsetzbar ist, ist dieser Weg über eine perfekte Erziehung heute noch nicht möglich – obwohl wir dies, auch wenn wir es nicht so bezeichnen, heute versuchen.