Ich wuchs auf in einer dezidiert anti-autoritär, feministisch, intellektuell, ökologisch, links und pazifistisch geprägten Kernfamilie aus Vater, Mutter und zwei jüngeren Schwestern, wobei ich meine ersten Lebensjahre zusammen mit meinen Eltern und meiner mittleren Schwester in einer studentischen Hausgemeinschaft aus mehreren Familien verbrachte. Selbstverständlich übernahm ich die ideologischen Überzeugungen meiner Eltern und besonders meiner Mutter zunächst weitestgehend. Bis in meine späte Jugend und Studentenzeit hinein war ich davon überzeugt und beseelt, dass Männer und damit auch ich selbst, schlechtere Menschen und für die Probleme dieser Welt verantwortlich sind, dass das kategorische Ablehnen von Regeln, Strenge und Dogmen jeder Art den Menschen befreien, weiterentwickeln und seine Lebensweise revolutionieren wird, und, dass Relativismus, Skeptizismus und Individualismus die höchsten Werte sind: „Was wir auch machen, es muss anders, nein das Gegenteil davon sein, was man „früher“ getan und gedacht hat.“. Ich war lange aktiv im Umweltschutz, in politischen Diskussionen und Projekten und im theoretischen und praktischen Kämpfen für Schwache, Minderheiten und Benachteiligte.
Durch die Ideen vieler Psychologen, Soziologen und Philosophen, durch eigenes, ungesundes Selbstmitleid und einige Psychotherapien sowie durch die Erfahrungen mit vielen linken, alternativen und angeblich progressiven Menschen während meines langen Studiums stellten sich bei mir aber immer mehr Zweifel daran ein, ob diese progressive, humnaistishe oder linke Ausrichtung und Überzeugungen wirklich tragfähig, vernünftig und logisch konsistent sind. Da ich eine Vielzahl von Autoren sehr schätze, aber genauso auch immer Teile ihrer Aussagen anzweifle und letztlich keinen von diesen als besonderes Vorbild anerkenne, will ich hier keine einzelnen Namen nennen, sondern auf eine umfangreichere Sammlung von Büchern und Autoren verweisen, die ich gelesen habe und empfehlen kann. Generell muss ich „gestehen“, dass es mich mehr bereichert hat, ein weites Spektrum an Ideen durch Sekundärliteratur kennenzulernen, als mich in die Originalwerke all dieser Denker einzulesen.
Mit den Jahren wurde mir vor allem bewusst:
Der Mensch ist zu größeren Teilen selbst schuld an seinen Fehlleistungen und auch seinem Zustand, als es die Gesellschaft und seine Lebensumstände in dieser sind.
Wir selbst sind unvernünftig, unkontrolliert und nur teilbewusst und dieser Zustand ist die Grundlage aller unserer Probleme. Im Grunde haben wir bereits für alle unsrere Probleme eine jeweilige Lösung gefunden. Leider lautet diese immer wieder: „Wir müss(t)en nur alle vernünftig handeln.“, und genau dazusind wir aber nicht in der Lage – sondern bilden uns verhängnisvollerweise nur ein, es bereits zu sein.
Ich habe erkannt, dass mein eigenes antiautoritäres, feministisches und progressives Aufwachsen auch Schattenseiten hatte, mich selbst nicht gut auf das Leben vorbereitet und psychisch labil gemacht haben und das diese extrem-humanistischen Prämissen für sich alleine und ins Etreme gesteigert falsch und destruktiv sind.
Auch wenn ich bis heute ökologisch bewusst und besorgt bin und lebe, habe ich realisiert, dass der Mensch sich zunächst um sich selbst kümmern muss, um sich dann irgendwann auch um den Rest der Schöpfung achtsam kümmern zu können. Erst wenn die Menschheit zufrieden sein wird mit ihrem eigenen Leben, wird sie emotional dazu in der Lage sein, sich auch um andere Lebewesen zu kümmern, was zwar absolut überlebensnotwendig ist, aber genauso auch völlig „unnatürlich“ und eine riesige, bisher unerfüllbare Aufgabe darstellt.
Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Aggressivität sind nicht pervers, grundfalsch und exklusiv menschlich, sondern (leider) völlig natürlich, nicht ganz zu beseitigen und nur dadurch zu verhindern, dass wir Menschen in selbstbestimmter, vollständiger Koopertion leben, wozu wir aber wiederum bisher psychisch nicht in der Lage sind. Diese offensichtlichen Schandflecke unserer Existenz zu verteufelt und zu bekämpfen ist durchaus richtig, wird sie aber nicht beseitigen können, sondern nur die Entwicklung einer Menscheit aus vollkommen vernünftigen Neuen Menschen, die nur durch eine „Arbeit an uns selbst“ entstehen kann.
Eine völlige Gleichberechtigung unter ungleichen Menschen und innerhalb eines hierarchischen Systems ist generell nicht möglich, auch wenn sie ein selbstverständliches Element eines besseren Lebens wäre. Die zum Teil schrecklich ungerechten Verhältnisse unter uns Menschen entstehen unweigerlich daraus, dass wir nicht selbstbestimmt vernünftig sein können und deshalb nur unter einer gesellschaftlichen Fremdbestimmung einigermaßen vernünftig handeln können, in der es unausweichlich Hierarchien, Herrschende und Beherrschte geben muss.
Eine Veränderung unserer Lebensweise oder unserer Systeme kann nur dadurch passieren, dass wir unseren eigenen psychischen Zustand erheblich verändern und verbessern, da unsere bisherige Lebensweise und ihre verschiedenen Gesellschaftssysteme leider alles sind, was wir in unserem bisherigen Zustand umsetzen können.
Fremdbestimmung ist schrecklich, dysfunktional und auch mir selbst ein Graus, aber für einen Menschen, der selbst nicht zur völlig vernünftigen Selbstbestimmung fähig ist, ist sie ein absolut notwendiges Übel und Gesellschaftsmerkmal und mit ihr auch Zwang, Unterdrückung, Bevormundung und sogar Gewalt in ihren verschiedensten Ausprägungen.
Religion und autoritäre Ideologien haben für uns Alte Menschen ihre Berechtigung und ihren Nutzen, auch wenn ich auch diese ablehne.
Generell denkt der Progressive oder Humanist zu sehr von einem Neuen Menschen aus, der wir bisher noch nicht sind und verdrängt dabei, dass wir noch Alte Menschen sind, die humanistische Gedanken und Forderungen zwar verstehen und als richtig erkennen, aber unmöglich usetzen kann.
Philosophie und Soziologie erschöpfen sich in der Psychologie, die aber selbst noch zu unfertig ist, um diese intellektuelle Führungsrolle einnehmen zu können oder uch nur zu wollen.
Die Psychologie ist noch lange nicht fertig gedacht, steckt heute in einer manifesten Entwicklungkrise, aber weigert sich vehement, dies gebührend anzuerkennen und ihre eigene, für uns alle bitter nötige Entwicklung fortzusetzen.
Alle moralischen Forderungen sind zwarebenfalls berechtigt und zukunftsweisend, bedeuten aber letztlich auch nichts anderes, als die Fordeung oder Vorstellung, dass wir Menschen vollkommen vernünftig sein sollen und müssen, was wir nachgewiesenermaßen bisher nicht sind und nicht sein können.
Unsere Versuche, unser Verhalten und unsere Lebensweise zu verbessern, können nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns selbst zu Neuen Menschen fortentwickeln, die zu völlig vernünftigem Verhalten fähig sind.
Die Menschheitsgeschichte stellt biher keine wirklihe „kulturelle“ Weiterentwicklung dar, sondern bisher lediglich eine technische, während sich die Zyklen von entstehenden, aufsteigenden und dann in Dekadenz verfallenden Hochkulturen in immer gleichen Mustern wiederholen.
Politik kann unser Leben und unseren Zustand nicht verändern und das ist auchgar niht ihre Aufgabe, sondern sondern lediglich, auf aktuelle Ereignisse einigermaßen sinnvoll zu reagieren und ihre Gesellschaft zu stabilisieren. Der Politik dies vorzuwerfen ist unehrlich und nutzlos, da wir alle davon profitieren, in einer stabilen Gesellschaft zu leben und es eben an uns selbst liegt, uns und damit unsere Existenz zu verändern und weiterzuentwickeln.
Demokratien können nur in reichen, satten und stabilen Gesellschaften funktionieren und gefährden ihre eigene Existenz und die gesellschaftliche Stabilität dadurch, dass sie schwach und weltfremd sind. Auch dazu, „echte Demokraten“ zu sein, sind wir Menchen bisher nicht in der Lage, können uns dies nur zeitweise einbilden, wenn unsere jeweiligen Gesellschaften so reich und stabil sind, dass es nicht weiter auffällt, wie dysfunktinal eine demokratische Herrschaft ist.
Subjektivismus, Relativismus und Individualismus können keine letzten Wahrheiten sein und sind heute ihrerseits zu autoritären Doktrinen geworden, wodurch sie sich selbst ad absurdum führen
Besonders die Politische Korrektheit und Wokeness der letzten Jahrzehnte machten mir klar, dass
Ich war und bin immer wieder selbst schockiert und enttäuscht von meinen Erkenntnissen. Ich habe Angst davor, dass und wie abweisend und verständnislos man auf diese reagiert und sicherlich noch lange regieren wird. Mein eigenes früheres Selbst und ebenso viele Verbündete und Gleichgesinnte der Ideologien, denen ich mich selbst lange zugehörig gefühlt habe, können durch Teile meiner Aussagen nur schockiert und abgeschreckt werden. Ich denke aber, dass meine heutigen Überzeugungen trotzdem richtig, also wahrhaftig sind und das ist das Einzige, auf das es mir ankommt, da ich fest davon überzeugt bin, das nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, als richtige und vollständige Abbildung der Wirklichkeit uns weiterhelfen wird.
Jede bisherige Ideologie enthält Wahres und keine ist völlig richtig – wer das nicht einsieht und nachvollziehen kann, der kann gar nicht klar sehen.
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